In den beiden kommenden Wochen gibt es einen unerklärlichen Anfall an Dokumentarfilmeritis – jede Menge sehenswerter Filme im Fernsehen. Und im Kino auch.
„Wildes Herz“ ist das Dokumentarfilmprojekt des Schauspielers Charly Hübner, den die meisten vom „Polizeiruf 110“ kennen dürften. In diesem Film porträtiert er einen Punkmusiker aus Mecklenburg und es gelingt ihm, wie Heike Heinrich findet, ein hinreissendes dokumentarisches Stück. Charly Hübner nennt den Film einen „Heimatfilm“. Man kann nur hoffen, dass er seinen Weg durch die Kinos findet, auch im Westen. Das gilt auch für „Überleben in Demmin“, noch ein ostdeutsches Thema, wieder betrachtet von Heike Heinrich. Mit „Exodus“ schließlich legt Hank Levine einen bildgewaltigen Film zum Flüchtlingsthema vor, Schicksale von Menschen in elf Ländern. Auch seit einigen Tagen in den Kinos.
Im Fernsehen sind noch einige Filme aus den beiden letzten Tagen nachzutragen. Christian Tods Essayfilm über das Grundeinkommen hieß im Kino noch „Free Lunch Society“, so englisch wollten sie es im Fernsehen wohl nicht haben, dort heißt er jetzt „Komm, Komm Grundeinkommen“ – auch nicht wirklich originell (in der Mediathek von Arte). Von den ersten Jahren einer schon älteren NGO, nämlich Greenpeace, erzählt der britische Regisseur Jerry Rothwell, etwas pro domo und nicht grade kritisch, aber doch informativ (in der Mediathek von 3Sat). Joschka Fischers Zeitreise durch 60 Jahre Deutschland gibt es in Kurzfassung bei Phoenix (12.04.2018, 02.15) und in Langform bei „tagesschau 24 (15.04.2018, 20.15). Und von einstmals noch hoffnungsvollen Zeiten erzählen in „Als wir die Zukunft waren“, sieben Regisseure und Regisseurinnen aus der DDR, „Geschichten aus einem verschwundenen Land“, ein wenig nostalgisch (RBB, 15.04.2018, 23.40-0.10).
In der darauf folgenden Woche finden sich als Fernseh-Erstaufführung „Wien vor der Nacht“ von Robert Bober, eine melancholische Reminiszenz an die große jüdische Kultur in Wien ((Arte, 16.04., 23.50-01.05).
Dazu eine Reihe interessanter Wiederholungen. Mit „Alles gut – Ankommen in Deutschland“ von Pia Lenz ist eine aktuelle Grimmepreis-Trägerin im Programm (NDR, Di 17.04.2018,. 00.00- 01.35) und SWR (19.04.2018, 23.15-00.50). Alles schön um Mitternacht, damit es möglichst wenige Zuschauer mitkriegen. Mit „Im Kampf gegen den IS – ist das Kalifat zu Ende?“ setzt das ZDF mal wieder einen wichtigen Film auf eine noch unglaublichere Sendezeit, wie schon bei der Erstaufführung (ZDF, Mi 18.04.2018, 02.40-03.25). Autor Ashwin Raman hat für seine beiden vorangegangenen Filme über die Grenzen zum IS den Grimmepreis 2017 bekommen. Den bekam im gleichen Jahr auch Hauke Wendler für seine Reportage „Protokoll einer Abschiebung“ (3Sat, 20.04.2018, 20.15-21.00), immer noch aktuell.
Aus der Wiederholungsschleife herausgefischt hat wolfsiehtfern den wichtigen israelischen Film „Zensierte Stimmen“ von Mor Loushy, der einen etwas anderen Blick auf den Sechstagekrieg Israels wirft (HR, Do 19.04.2018, 00.00 – 01.20). Mit „La buena vida“ ist ein mehrfach ausgezeichneter Film im Programm, der das noch lange gültige Thema behandelt, wie sehr unser Wohlstand und unser Komfort in Europa auf der Armut auf anderen Kontinenten gründet (Phoenix, 21.04.2018, 22.30 – 00.00). „Geheimsache Ghettofilm“ über das Warschauer Ghetto und die pseudodokumentarischen Inszenierungen der Nazis war schon länger nicht mehr zu sehen – ein Lehrstück über Inszenierung, über Propaganda und den dokumentarischen Blick (tagesschau 24, Sa 21.04.2018, 21.05-22.35; MDR, So 22.04.2018, 23.15-00.40). Und mit „1917 – Der wahre Oktober“ ein etwas anderer Blick auf den vergangenen Gedenktag der Oktoberrevolution. Katrin Rothe erzählt die Geschichte und die Geschichten in animierten Bildern und der RBB zeigt auch die 90-Minuten-Fassung des Films (RBB, So 22.04.2018, 23.45-01.15)
Und alle interessanten Filme, die sonst noch laufen, finden sich in der Rubrik „Was sonst noch läuft“.