Was der Film von Eugene Jarecki über Elvis Presley nicht ist: Er ist keine Hagiographie, keine Hitsammlung und kein Joke mit Doppelgängern, für die Elvis nie gestorben ist. Sondern ein Film über einen Künstler und über sein Land, die USA, von damals und von heute. Seit Donnerstag in den Kinos.
Für Eugene Jarecki ist das Leben und das Werk von Elvis Presley eine uramerikanische Geschichte und er erzählt beides in einem. Dabei hat er eine glänzende dokumentarische Idee. Er fährt in Presleys Rolls Royce von 1963 durch das Land, immer entlang von Elvis‘ Lebensstationen. Von Tupelo in Amerikas Süden, wo Elvis in großer Armut der weißen Unterschicht aufwuchs. Dann die rasante Karriere als Rockstar, über Memphis, Nashville, New York. Dann die Einberufung zum Militär, sein Aufenthalt als US-Soldat in Deutschland, der ihn nur noch berühmter machte. Dann seine Karriere in Hollywood, wo er viele belanglose Filme drehte und dann weiter nach Las Vegas, wo er, immer weiter dem Ruf des Geldes folgend, sich ruinierte. Bis zu seinem Tod mit 42 Jahren auf seinem berühmt-berüchtigten Anwesen in Graceland.
Jarecki erzählt damit auch eine Geschichte von Aufstieg und Fall. Die Geschichte vom amerikanischen Traum, die in einen Albtraum umschlägt. Erzählt, kommentiert und bewertet wird sie von zahlreichen Zeitgenossen von damals und von heute. Jarecki setzt sie auf die Rückbank des Rolls Royce, von wo sie ihre Erzählungen starten. Zu den Prominenten gehören Ethan Hawke, Mike Myers, Chuck D, Ashton Kutcher, Dan Rather, James Carville, Emmylou Harris und Alec Baldwin. Der Film ist auch Ergebnis einer gründlichen Recherche, mit vielen dokumentarischen Funden. Auch O-Töne aus einem frühen Interview mit Elvis Presley baut er ein, die einen ruhigen und nachdenklichen Star hören lassen.
Zugleich ist der Film auch ein musikalisches Roadmovie, Odyssee und Party zugleich. Auf den Rücksitzen des Rolls Royce musizieren Musiker von heute, wir erleben musikalische Auftritte von Emi Sunshine and the Rain, John Hiatt, M. Ward, Immortal Technique, Loveful Heights – und wir hören dabei wunderbare Cover-Versionen, die auch belegen, welche großer Musiker Elvis Presley gewesen ist.
Eugene Jarecki parallelisiert auf eine aufregende und anregende Weise die Biographie von Elvis Presley mit dem Zustand des Landes. Er nimmt sein Leben als Metapher für den Aufstieg und Fall des Landes. Elvis als die Verkörperung des weißen Selbstbildes, als amerikanischer Traum vom Aufstieg von ganz unten, aus der weißen Unterklasse. Freiheit und Streben nach Glück, wie es die amerikanische Verfassung verspricht. „Wenn Elvis deine Metapher für Amerika ist“, kommentiert ein junger Mann in einer Bar die Dreharbeiten des Regisseurs, „dann ist es Elvis kurz vor der Überdosis.“
Zwei Bruchlinien in diesem Verhältnis zieht der Film, darin einigen seiner Zeitzeugen folgend. Die eine ist der Militärdienst in Europa, während dessen er sich von der US-Army als Werbeträger einspannen ließ (man sieht hier noch einmal das unendlich kitschige „Muss i denn zum Städtele hinaus). Damit stand Elvis „im Zentrum der imperialistischen Macht“, wie es einmal im Text heißt. Jarecki fällt dazu der bildhafte Satz ein: „Er verließ die Stadt als James Dean und kam als John Wayne zurück.“
Das zweite Element, das den Abstieg von Elvis Presley einleitete und das der Regisseur überdeutlich mit dem Zustand des Landes in der Trump-Ära parallelisiert, ist seine Hinwendung zu Hollywood, getrieben auch von seinem Manager Tom Parker, seine Hinwendung zum großen Geld. Elvis Presley habe sich immer, sagt einer der Protagonisten, für das Geld entschieden. Für schlechte Filme, für abgeschmackte Shows in Las Vegas. Am Ende dann das bekannte Bild des fett gewordenen Sängers, bei seinen Auftritten nur noch ein Zerrbild seiner selbst.
Eine traurige Geschichte also, in der der Regisseur dem Mythos von Elvis Presley nachspürt und ihn erzählt als Geschichte eines großen amerikanischen Künstlers. Diese Haltung spiegelt sich wieder etwa in den Diskussionen darüber, ob Elvis, der als erste Weißer schwarze Musik spielte den Schwarzen sozusagen ihre Musik geklaut hat. Wie es Aktivist und Autor Van Jones formuliert. Oder Public-Enemy-Rapper Chuck D, der erläutert, warum ihm Elvis, wie er in einem Song schrieb, gar nichts bedeute. In einer grandiosen Schlussmontage zeigt Jarecki eine Sequenz aus Presleys letztem Konzert. Der ist sichtbar ein Wrack, aber er hat noch diese unverwechselbare Stimme und er singt eine unvergessliche Version von „Unchained melody“.