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Joschka und Herr Fischer. Von Pepe Danquart

Joschka Fischer spiegelt sich, im Bildschirm, in der eigenen Bedeutung, in der Geschichte. Porträt eines Politikers, das doch ein wenig stark nach Selbstdarstellung aussieht. So jedenfalls sieht es Gastautor Thomas Gehringer. (Tagesschau 24, So 12.04.2018, 20.15-22.15)

Ein düsterer, bunkerartiger Raum, von der Decke hängen einige flache Monitore aus Glas, über die Bilder aus deutscher Geschichte flimmern. Und aus Joschka Fischers politischem Leben, was manchmal ein und dasselbe ist. Fischer, dessen Gesicht die Bilder reflektiert, reflektiert auch, mehr oder weniger. Er kommentiert, erläutert, doziert, mal amüsiert er sich, dann legt er seine Stirn besorgt in elder-statesmen-Falten und verfällt in formelhaftes Politikerdeutsch. Ein unterhaltsamer Streifzug ist Pepe Danquarts Film schon, denn die Geschichte ist reich und die Auswahl der Musik sowie die Montage der vielen, auch weniger bekannten Archivbilder belegen das Können des Dokumentarfilmers. Aber die Routine eines vor Kameras geübten Medienprofis bricht dieses Konzept nicht auf. Es bleibt der schale Beigeschmack einer künstlerisch wertvollen Gelegenheit zur Selbstdarstellung.

Immerhin, es gibt gelegentlich Momente, in denen der Film hinter die Bilder auf Glas zu blicken vermag. „Zum ersten Mal war ich gefangen“, sagt Fischer über seine Zeit als hessischer Umweltminister. An seinem ersten Arbeitstag filmte ihn eine Meute Kameraleute. Der erste Grüne am Minister-Schreibtisch – ein historischer Moment. Er muss fürs Foto irgendwelche Akten unterschreiben, dann klingelt sein Telefon, das heute wirkt wie ein Museumsstück, aber Fischer wird gar nicht gewünscht, er reicht den Hörer weiter. Als die Medienmeute abgezogen und die Inszenierung beendet ist, „war niemand mehr da“, erinnert sich Fischer, der sich plötzlich sehr allein fühlte und auch in die leeren und tristen Gänge gelugt haben will. Fischer, eben noch im Mittelpunkt, spürt die Einsamkeit der Macht.

Geschah ihm recht, wird mancher denken. Es dürfte schwer sein, in Deutschland einen Politiker zu finden, der ähnlich starke Emotionen auslöst wie Joschka Fischer. Was an seiner Streitlust, seinem Redetalent, seinem starken Ego und dem ebenso starken Machtwillen gelegen haben mag, aber auch an seiner einzigartigen Biografie, die man wie eine Folie über die deutsche Zeitgeschichte legen kann: Vom Sponti zum Straßenkämpfer zum Taxifahrer zum Buchhändler zum Bundestagsabgeordneten zum Umweltminister zum Bundesaußenminister und Vizekanzler. Ein praller Stoff, der mühelos 120 Fernsehminuten füllt, übrigens 20 weniger als bei der Kinofassung.

Danquart unterbricht das Fischer-Solo nur für einige „Exkurse“, in denen Zeitgenossen ein paar Sätze zum Zeitgefühl beitragen dürfen, darunter SPD-Urgestein Hans Koschnik, Schauspielerin Katharina Thalbach, „Hasch-Rebell“ Knofo Kröcher, einst Mitglied der Bewegung 2. Juni, und Publizist Roger de Weck. Mit Fischer selbst hat das nur am Rande zu tun, mal abgesehen von den Beiträgen Daniel Cohn-Bendits, des ehemaligen Frankfurter Wohngenossen und politischen Weggefährten. Der Ertrag ist eher von anekdotischer Reichweite: Beide beratschlagten Anfang der 1980er Jahre im Frankfurter Restaurant Pielok, wie sie es mit der neu gegründeten Partei der Grünen halten wollten. Einer von beiden sollte da einsteigen, „das blieb dann am Ende an mir hängen“, meint Fischer etwas kokett. „Ich verdanke meiner Partei unglaublich viel, aber ich habe mich an ihr auch erschöpft“, sagt er am Ende. Jetzt ist er: Publizist, Unternehmens- und Politikberater, Lobbyist. Seine politische Karriere ist im Grunde nicht vorbei. Auch davon im Film kein Wort.


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