Ein stimmungsvoller Beginn zwischen fließenden orientalischen Klängen mit wirbelnden Tänzerinnen und dem Rhein, auf dem ein Schiff dahingleitet, zieht uns in die Geschichte. Die Regisseure Marcel Kolvenbach und Ayse Kalmaz begeben sich nach Duisburg in die türkisch gewordene Vorstadt Marxloh, mitten in die Hochzeitsvorbereitungen dreier Paare mit türkischen Wurzeln. Dort, wo jüngst auch Bundespräsident Steinmeier auf eine Stipvisite vorbeikam. Heike Heinrich hat den Film gesehen. (Noch in der Mediathek von ARD und WDR)
Der Bergbau hat sie nach Deutschland geholt: Gastarbeiter. Ein merkwürdiges Wort, das sich im Türkischen vermutlich ausschließt. Der Gast ist zu Gast und arbeitet nicht als Gast. Aus den Gästen wurden Bewohner mit zwei Heimatländern und aus Bergarbeitern wurden Brautkleid- und Hochzeitsverkäufer. Die erste Generation spricht trotz des selbst ernannten Zuhauses Marxloh immer noch Türkisch. Die zweite und dritte nicht mehr. Nicht nur deshalb müssen auch die Traditionen bewusst herbeigeholt und erinnert werden. Die Brautkleider sind mehr als ein Geschäftszweck. Sie sind zum Symbol geworden: zum Symbol von Duisburg – Marxloh (mit den meisten Brautausstattern in einer deutschen Stadt) aber auch für die Begegnungen zwischen der alten und der neuen Heimat.
„Warum soll man heiraten?“ lautet die zentrale Ausgangsfrage. Und die pragmatischste aller Antworten „Damit die Familien auch zusammenkommen können“. So dominieren die Brautkleider in vielfältigem Einsatz die Narration des Films. Das alles wird über die Pracht in Weiß erzählt, auf unterhaltsame und doch sehr ernsthafte Weise. Es sind die Hochzeiten, die die Familien zusammenführen. 500 bis 1000 Gäste versammeln sich auf einer türkischen Hochzeit – ein Geschäft zwischen Maßanfertigung und Großfamilie.
Die Kamera, geführt von Marcel Kolvenbach, ist inmitten des Geschehens, dokumentiert in Interviews und Situationsgesprächen. Alltagsbeobachtungen und inszenatorisch Herbeigeführtes wechseln sich ab. Es gibt keinen wohlmeinenden Kommentar aus dem Off und die Musik, vor allem orientalisch von Sinem Altem gemixt, begleitet das Geschehen sanft und ganz beiläufig. Großer Dank an die Filmemacher, dass der türkische Originalton erhalten ist und untertitelt wurde. Das gibt dem Film eine besondere Authentizität.
Dügün ist das türkische Wort für Hochzeit und der Titel einer Werbeschrift des marktführenden, professionellen Hochzeitsorganisators vor Ort. Ihm bleibt der Film auf den Fersen. Fehat Aldur bedauert den Untergang der Bergbauwelt nicht nur. Er organisiert nun große Säle und lässt sie ausschmücken, bestellt die Musik und beruhigt die immer mehr in Aufregung geratenen Beteiligten. Und natürlich verteilt er „Dügün“. Er setzt die jungen Frauen zu Werbezwecken in wunderschönen Brautkleidern in Szene: auf den verfallenen Straßen von Marxloh und den toten, noch übriggebliebenen Industrieanlagen.
Die morbide Ruhrpott-Umgebung steht asynchron zu den vitalen Hochzeitsvorbereitungen, bei denen es in Sachen Ausstattung, Raummieten und Schmuck zugeht wie auf dem sprichwörtlich türkischen Basar. Das Versprechen von Reichtum fern der Heimat im deutschen Bergbaugebiet mündet heute im Preiskampf um die schönste, bezahlbare Hochzeit. Diese Bildgegensätze sind spannend. Allein es fehlt an Geschichten dazu. Genauer betrachtet werden Entwurzelung, schwierig gewordene Traditionsbelebung, der Wunsch nach Ausbruch aus den Traditionen durch junge Türkinnen und der Verfall vieler Industriestandort im Ruhrpott nicht.
Nur am Rand erfährt man, dass ehemalige Bergarbeiterfamilien mit der Armut ringen. An den Locations für die Hochzeiten ist Außen kaum Fassadenputz aber Innen der Glanz für das Kommende. Der Spannungsbogen zwischen Duisburgs Stadtgemeinde, dem schlechten Image des Stadtteils und dem Engagement der türkischen Bewohner gerät zu flach.
Die Protagonisten bleiben dem Zuschauer sehr fern und fremd. Sie werden nicht weiter vorgestellt. Es sind vielleicht zu viele, wie eben Gäste auf einer türkischen Hochzeit. Die Kamera hält das Geschehen eng in Räumen und Autos fest. Es fehlt an Weite. Mit einer Hochzeit beginnt schließlich auch eine Zukunft. Sie wird ebenso nicht thematisiert. Die Andeutungen der Hochzeitspaare im Umgang mit Schwiegereltern und umgekehrt öffnen den Horizont der Geschichte nicht. Es gibt keine Bilder für diesen interessanten Aspekt des neuen Lebensweges. Und so bleibt es dann bei einer Milieubetrachtung für den Augenblick. Der stimmungsvolle Auftakt und der Abspann mit eleganter Kamerafahrt gehören zu den wenigen Kinobildern. Davon hätte man sich mehr gewünscht.
Endlich kann nach dem Hochzeitsritual, das jedes Paar ein wenig anders auswählt, ausgiebig gefeiert werden. Auch hier bleibt man als Zuschauer etwas unbeteiligt, trotz der vielen Tränen des Glücks und des Abschieds. Am Ende steht die schöne aber vielleicht problematische Pointe: Die Hochzeit ist das Ende des Films oder des „Theaters Familie“, in dem wir alle irgendwie eine Rolle spielen. Und so ist zwangsläufig in diesem Film die Hochzeit das Ende, arrangiert an einer sehr weich gezeichneten Oberfläche.