Permalink

0

Leben am Limit: Extremsportler. Von Sascha Köllnreiter

Sport liefert tolle Bilder, Extremsport liefert tollere Bilder. Das zeigt auch der Dokumentarfilm „Leben am Limit“. Der Film war auch mal im Ersten zu sehen, selten genug kommt das vor. Jetzt tourt er durch die Dritten.  (HR, So 11.03.2018, 01.30-03.00 )

Drei Männer stehen im Zentrum des Films, der Apnoetaucher Guillaume Néry, der Wingsuit-Flyer Halvor Angvik und der Extremradfahrer Gerhard Gulewicz, der in neun Tagen über 5000 km quer durch die USA fahren will. Nun gibt es inzwischen viele Filme über Extremsportler, häufig aus dem Hause Red Bull, sie sind in der Regel allein am Event interessiert. Davon unterscheidet sich dieser Film erkennbar, er greift auch kritische Fragen auf und versucht, an Stelle der üblichen Heldenverehrung den Motiven der Extremsportler auf die Schliche zu kommen.

Die Erklärungen sind freilich nicht grade umwerfend und vor allem auch nicht verallgemeinerbar. Halvor Angvik erklärt sein gefährliches Tun damit, dass er ohne diesen Kick sonst seinen Büroberuf nicht ertragen könne. Bei Gerhard Gulewicz ist es der Wunsch, Sieger zu sein, nachdem er schon zweite und dritte Plätze erkämpft hat – in diesem Film endet sein Kampf mit der Aufgabe. Die Szenen, in denen er völlig erschöpft seine Entscheidung zu begründen versucht, liefert einen anschaulichen Beleg, was es heißt, über seine Grenzen hinauszugehen. Zugleich muss man vermuten, dass Gulewicz es im nächsten Jahr noch einmal versuchen wird. Niederlagen sind für Extremsportler offenbar schwer erträglich.

Dem Apnoetaucher Guillaume Néry wiederum geht es darum, wahrgenommen zu werden, nicht als Durchschnittsmensch, sondern als Besonderer. Der Philosoph Konrad Lissemann liefert dazu die doch eher dünne Erklärung mit dem kategorischen Imperativ des Medienzeitalters, „Existieren heißt, wahrgenommen werden“. Deshalb reichten Néry eines Tages die Weltrekorde im Tieftauchen nicht mehr, weil die Menschen nichts anderes von ihm erwarteten. So musste ein erfolgreiches Image-Projekt her, Tieftauchen in inszenierten Bildern, Spektakel statt Sport.

Zwischen den Geschichten der drei Sportler sitzen auch einige Experten, neben dem Philosophen auch ein Psychologe, der der sich über männliche Risikobereitschaft auslässt und darüber, warum Frauen nicht so weit ins Risiko gehen: sie sind Risikovermeider, weil sie sich um den Nachwuchs kümmern müssen.

Am Schluss bleibt die Frage nach dem Warum. Warum reicht es nicht, durch eine schöne Blumenwiese zu laufen und damit glücklich zu sein? Es gehe um Vollständigkeit, ist die vielleicht noch schlüssigste Erklärung. Die Sportler möchten sich vollständig fühlen und das geht offenbar nur über den superlativischen Kick. Und den findet man ja auch in den Bildern. Helmkameras sind ja überall dabei und lassen den Zuschauer an den Felswänden entlang mitfliegen (auch einmal beinahe abstürzen), mit eintauchen in die Schwarze Tiefe und mitleiden mit dem körperlichen Verfall. Das ist durchaus faszinierend anzuschauern. Aber inzwischen gehört wohl zum Genre des Extrem-Sportfilms die Sucht nach extremen Bildern. Nahezu jedes Bild schreit um Aufmerksamkeit: Seht her, wie toll ich bin. Das führt, auch in diesem doch auch nachdenklicheren Film zur Überfütterung. Man kann der Super-Bilder auch überdrüssig werden.

Kommentare sind geschlossen.