Umfragen, die die Deutschen erstaunt haben: sie wurden in Umfragen der BBC zweimal zum beliebtesten Land der Welt gekürt. Was es damit auf sich hat, untersucht jetzt ein Dokumentarfilm. Phoenix, Fr 15.09.2017, 21.00-22.15; Sa 16.09.2017, 8.15-9.30; 18.00-19.15Der junge Syrer Mohammed Khalef fühlt sich in Deutschland sofort aufgenommen, ihm gefällt die Landschaft, er sieht Zukunft. Zunächst ist er im Durchgangslager Friedland gelandet, dort kann er, wie die anderen, zwei Wochen bleiben, dann wird er weiter ge-schickt. Er hat auch schon von Freunden gehört, dass es Deutsche gibt, die keine Ausländer mögen. Er kommt nach Sachsen-Anhalt. Ein Zimmer wird ihm zugewiesen in einem Wohnheim, Stockbetten, Tisch, Stuhl, Schrank. So hat er sich das nicht vorgestellt.
Im Film wird diese Szene mit Mohammed Khalef vergleichsweise lange gehalten, ein Grund dafür mag sein, dass die beiden Autorinnen ein Gegengewicht herstellen wollten zu den Untiefen ihres Themas. Denn das sagt, wie der Titel schon ausdrückt, dass es ein Glück sei, als Flüchtling nach Deutschland zu kommen. Ausgangspunkt für das Thema sind Umfragen der BBC, denen zufolge Deutschland schon zweimal zum beliebtesten Land der Welt gekürt wurde, ein Umstand, den die Deutschen selbst am wenigsten glauben können. Es ist also ein durchaus heikles Unterfangen, dabei nicht in Lobhudelei und Schulterklopfen zu verfallen.
„Zum Glück Deutschland“ von Birgit Schulz und Luzia Schmid hat eine besondere Sicht: Immigranten erzählen nicht ihre Herkunfts- und Fluchtgeschichten, sondern erläutern ihre Erfahrungen, ihren positiven Blick auf das Land, das sie aufgenommen hat. Und das sind mehrheitlich politische Gründe: Demokratie, Meinungsfreiheit, Redefreiheit, Sicherheit vor Willkür, Möglichkeit, sein Leben selbstbestimmt zu leben. Und dass, wie einer Gruppe syrischer Flüchtlinge erklärt wird, man in Deutschland Polizisten um Hilfe bitten könne: „Die Polizei ist hier nicht korrupt“.
Einige Protagonisten stellt der Film in den Vordergrund. Da ist die bekannte Anwältin, Frauenrechtlerin und Menschenrechtsaktivistin Seyran Ates, für die das Grundgesetz der Schlüssel ist. Eine Verfassungspatriotin: „Wenn ich die deutsche Verfassung lese, läuft mir ein Schauer über den Rücken, weil sie mir ein Sicherheitsgefühl, ein schönes Gefühl zu diesem Land vermittelt.“ Ihren Einsatz für Frauenrechte und die Rechte muslimischer Frauen hätte sie vor einigen Jahren beinahe das Leben gekostet, ein Attentat überlebte sie nur knapp. Nach einigen Jahren Rückzug ist sie wieder als Anwältin aktiv.
Da ist der libanesische Arzt Armin Ballouz, den es als Landarzt in die Uckermark ver-schlagen hat, wo er sich offensichtlich wohl fühlt und sich wundert über die sturen Uckermärker. Als Beleg zeigt der Film gleich eine Szene in seiner Arztpraxis, in der ein Patient seinen Rat den Alkoholkonsum zu reduzieren, einfach in den Wind schlägt. Wir treffen auf einen israelischen Maler, der in Berlin lebt und den deutschen Wald liebt und malt. Auf einen bulgarischen Tagelöhner, der sich an der Sauberkeit der Stadt begeistern kann, eine amerikanische Performance-Künstlerin, die sich in Berlin nicht von Geheim-diensten verfolgt fühlt und einen deutschstämmigen Journalisten aus London, der im „Guardian“ den Briten Deutschland erklären soll.
Dazu kommt noch eine Gruppe syrischer Kontingentflüchtlinge, die zwei Wochen im Durchgangslager Friedland bleiben und dort ihre ersten Begegnungen mit deutscher Sprache und deutschen Regeln haben. Der Film liefert die eine oder andere Beobachtung, die etwas über dies Ankommen erzählt: etwa ein langer Blick auf eine junge muslimische Frau, die sorgfältig in ihrem Essen herumstochert, ob denn auch kein Schweinefleisch enthalten sei.
In kleinen dramaturgisch gesetzten Blöcken zwischendurch, die den Film wie mit einem Zeitraffer strukturieren, lassen Statements erkennen, was Migranten an der deutschen Gesellschaft schön oder jedenfalls besonders finden. Die Deutschen seien die Urlauber schlechthin, befindet einer. Eine Frau macht sich lustig, die Deutschen würden nur arbei-ten, um Dutzende Versicherungen abzuschließen. Jugendliche kriegen sich gar nicht ein bei der Beobachtung, dass hier Männer nicht Arm in Arm gehen, weil sie dann für schwul gehalten werden. Einer findet das Land perfekt, ihm fehlt bloß die Sonne. Eine Frau ist erstaunt, dass Menschen hier stundenlang in Kneipen alleine stehen und Bier trinken. Eine junge Muslimin sagt, beinah lachend, das Beste sei wohl, dass hier Männer, die ihre Frauen schlagen, ins Gefängnis kämen.
Wieder andere wundern sich, dass Autos vor Zebrastreifen stehen bleiben. Und dann er-klärt ihnen in der ersten Regelkunde der Seminarleiter, man dürfe nur über die Straße gehen, wenn die Ampel grün sei und ergänzt, damit es auch alle verstehen: „die Farbe des Propheten“. Es geht also nicht nur um die so genannten klassischen deutschen Tugenden, sondern auch um den Blick, der nun von außen auf die Deutschen fällt – und der fördert nicht selten auch Komisches zutage.
Bei so viel Positivem ist dem Film das Bemühen anzumerken, ein wenig distanziert zurückzutreten und keine Heimattümelei zuzulassen. Die Musik, eine Art ironisch verfremdeter Blasmusik, dient ihnen ebenso dazu wie so manche szenische Montage, die den Überschwang dämpft, wie bei Mohammed Khalef. Bei den Protagonisten ist auffällig, dass es sich vor allem um Menschen aus der Mittelschicht handelt, denen es wahrscheinlich insgesamt leichter fällt, über Integration einen positiven Zugang zu finden. Nur einige wenige Szenen deuten an, dass es mit der Integration nicht so einfach sein könnte. Eine Gruppe junger Syrer diskutiert auf der Straße die Frage, ob man Kippen so einfach auf den Boden werfen könne. “Dinge, die wir gelernt haben, sind hier möglicherweise völlig falsch“, sagt einer, „wir müssen lernen, wie man hier lebt und das Erlernen der Lebensweise macht 90 % aus, das der Sprache 10 %.“ Und einer widerspricht, das sehe doch jetzt so aus, als sei das Leben in Syrien falsch gewesen. Diese Diskussion hätte man gerne weiterverfolgt, sie hat ihren Ausgangspunkt nur in ein paar weggeworfenen Kippen und reicht doch ins Zentrum der Fragen, die sich inzwischen in Deutschland stellen.
Das Filmprojekt gewann 2013 den ARD-Dokumentarfilmwettbewerb „Top oft he Doc“, wozu gehört, dass der Film nicht nur produziert, sondern auch auf einem prominenten Sendeplatz, in der Primetime, ausgestrahlt wird. Der Wettbewerb ist ja gerade dazu er-finden worden, um das Genre des Dokumentarfilms ein wenig nach vorne zu bringen. Aber dazu fehlt in der ARD der Mut, selbst bei den eigengestrickten Projekten und selbst bei Themen, die so in der Diskussion stehen wie dieses. Fast alle Filme zum Flüchtlingsthema, die derzeit oder demnächst im Programm sind, und das sind nicht wenige, werden erst gegen Mitternacht programmiert. Das ist zwar nicht neu, aber hier fällt es als besonders peinlich auf.