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Schwerpunkt Auschwitz

Am 27. Januar jährt sich die Befreiung von Auschwitz. Anlass für einige Sender, Filme zum Thema ins Programm zu nehmen, fast alle am 24.1., das ist nämlich bei den meisten der Dokumentarfilmtag. Ein Überblick.

Arte gestaltet einen Themenabend unter dem Titel „Befreiung der Lager“. Höhepunkt dieses Abends ist gewiß „Night Will Fall. Hitchcocks Lehrfilm für die Deutschen“. Regisseur André Singer erzählt hier die Geschichte der ersten Bilder, die die Alliierten bei der Befreiung der Lager drehten, sehr eindrucksvoll und auch ein Lehrstück über den Umgang mit Dokumenten. Der Film ist schon mehrfach im Fernsehen gelaufen (Arte, 23.55).

In einer Erstausstrahlung erzählen Wolfgang Schoen und Frank Gutermuth vom Leben von Beate und Serge Klarsfeld: „Nicht Rache, sondern Gerechtigkeit“ (20.15). Beate Klarsfeld wurde 1968 im Wortsinn schlagartig bekannt, als sie Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger ohrfeigte, um auf dessen Nazivergangenheit aufmerksam zu machen. Der Franzose Serge Klarsfeld hatte seinen Vater in Auschwitz verloren. Die Geschichte dieses besonderen deutsch-französischen Paares ist eine außergewöhnliche Liebesgeschichte wie auch eine des langen Kampfes gegen das Vergessen. Beide sind heute als moralische Instanz in Deutschland und in Frankreich anerkannt. Interessant an diesem Film sind auch Dokumente etwa von den Reaktionen von Kurt Georg Kiesinger, der den Hinweisen auf seine Nazivergangenheit mit einer geradezu aggressiven Bräsigkeit reagierte, alles denunzierend, was gegen ihn und gegen die Verdrängung der deutschen Geschichte demonstrierte.

Ebenfalls in Erstausstrahlung läuft „Stille Retter“ von Christian Frey (21.10)  Er erzählt die Geschichte zweiter bekannter Männer, die vor den Nazis nach Frankreich flüchteten und von stillen Rettern versteckt wurden und überlebten: Alfred Grosser und Georges Arthur Goldschmidt. Der Soziologe und Politikwissenschaftler Alfred Grosser ist einem größeren Publikum bekannt, weil er sich für die deutsch-französischen Beziehungen einsetzte. Er wurde vor den Nazis gerettet, weil er rechtzeitig die französische Staatsbürgerschaft bekam. Der Schriftsteller, Essayist und Übersetzer Georges Arthur Goldschmidt überlebte erst in einem französischen Internat, dann bei Bergbauern in Savoyen. Christian Frey holt etwas langwierig weit aus in seinem Film, um diese Geschichte einzuordnen.

In „Rettet Auschwitz“ (22.00)  widmet sich der französische Regisseur Jonathan Hayoun der wechselhaften Geschichte und Instrumentalisierung der Gedenkstätte wie auch der Frage, wie in Zukunft hier die Erinnerungskultur gepflegt werden kann. Auschwitz ist die meistbesuchte Gedenkstätte und in manchen Bildern, die dort gedreht werden, scheint es sich weniger um einen Ort der Besinnung als um einen makabren Ausflugsort zu handeln. Eine wirkliche Haltung zu der Frage entwickelt der Film nicht.

„Mit tödliche Rache“ (23.00) schließlich erzählt Natalie Assouline Terebilo eine Geschichte gegen den Mainstream, die eben nicht von Gerechtigkeit statt Rache, sondern eben ausgesprochen von Rache handelt. Protagonist ist der 85-jährig Mosche Knebel, der in einem polnischen Dorf in einem Wald überlebte, sich den russischen Partisanen anschloss und nach dem Krieg an der Ermordung seiner Familie Rache nahm. Als Mitglied der Polnischen Geheimpolizei rächte er sich an allen, die seine Familie auf dem Gewissen haben. Diese Geschichte erzählt er, in diesem Film und am Ende seines Lebens, seinen Kindern, die er mit auf eine Reise an all diese Ort mitnimmt und sie vor die Frage stellt, wie damit umgehen, dass ihr Vater nicht nur Täter, sondern auch Mörder war. Eine Schlussfolgerung des Sohnes: Hätte der Vater auf die Frage, warum man ihm und seiner Familie das alles angetan habe, eine Antwort bekommen, wäre er vielleicht nicht auf Rache verfallen. So sei sie ihm als einziger Weg geblieben, seine furchtbaren Erfahrungen zu verarbeiten.

3Sat hat zum Gedenkdatum am 24.1. zwei Filme im Programm. Zunächst „Alexander Granach – da geht ein Mensch“ von Angelika Wittlichs. Das Porträt des berühmten Schauspielers, der 1933 auf dem Höhepunkt seiner Karriere in die Emigration gezwungen wurde, auch in den USA seinen Durchbruch erleben konnte, nicht mehr aber das Ende des Krieges (3Sat 21.45-23.30). Im Anschluss daran erzählen die beiden kanadischen Autoren David Paperny und Audrey Mehler vom Schicksal einiger der tausend jüdischen Kinder, die die amerikanischen Soldaten bei der Befreiung Buchenwalds vorgefunden hatten. Viele der Kinder überlebten, fanden ihren Weg in die Gesellschaft und hielten lebenslang Kontakt. Friedensnobelpreisträger Eli Wiesel war eines dieser Kinder.

Erinnerungskultur verändert sich. Die meisten Zeitzeugen, die unmittelbar berichten können, leben nicht mehr. Heutige Filmemacher müssen sich dieser Geschichte auf anderem Weg nähern. So wie etwa Arnon Goldfinger in „Die Wohnung“ (BR, 24.01.2017, 22.35-00.15). Ihm kommt die Aufgabe zu, die Wohnung seiner Großeltern in Tel Aviv aufzulösen, in der diese sich ein Stück Berlin aufbewahrt haben. Er entdeckt in den Unterlagen die Geschichte einer unbekannten Vergangenheit: die jüdischen Großeltern waren eng befreundet mit der Familie eines SS-Offiziers. Eine Geschichte von Gegenwart und Vergangenheit, von Verdrängung und Wahrheit.

Einen ganz anderen Weg gehen Udi Nir und Sagi Bornstein in „#Uploading Holocaust“ Der Film ist ausschließlich aus youtube-Material montiert, aus zahlreichen Videos, die israelische Schüler bei einer Fahrt nach Polen gedreht haben. Jedes Jahr unternehmen etwa 30.000 israelische Schüler eine solche streng durchorganisierte Fahrt. Sie sollen dabei die Erfahrung machen, wie es den Juden in den Konzentrations- und Vernichtungslagern erging und die Erinnerung an den Holocaust lebendig halten. Die Schüler halten in ihren Handy-Videos Erlebnisse auf dieser Fahrt fest, erschütternde, hoch emotionale, aber eben auch banale jugendgemäße. Der Film hat aber auch verstörende Momente dort, wo auf dieser Reise die Jugendlichen einer Art umgekehrter Therapie unterzogen werden. Sie werden in Situationen gebracht, in denen sie fühlen sollen wie die KZ-Insassen, werden in Güterwagen gequetscht, müssen sich an der Rampe in Auschwitz in Jungen und Mädchen trennen lassen, werden in nervenzerfetzende Rituale eingebunden und ständig dazu gedrängt, sich einzufühlen – eine befremdliche Art der Instrumentalisierung von Erinnerungskultur.  (RBB. 24.01.2017. 23.15-00.25 / ARD Alpha 27.01.2017, 21.00-22.10).

Der Film über die Schulwege von Kindern „Nicht ohne uns“ hat in der vergangenen Woche die Tour durch Arthouse-Kinos begonnen. Kinotermine auf der Website des Films.

Aus den Wiederholungsschleifen des Fernsehens herauszufischen waren der gleichfalls dem Thema zugehörige Film „Menachem und Fred“ über zwei jüdische Brüder, die in einem französischen Kinderheim überlebten und ganz unterschiedliche Wege gingen. Und, ganz anderer Stoff, der Longrunner von Klaus Stern, die Geschichte des Versicherungsvertreters Memet Göker, Teil zwei. Die Filme „Songs from the forest“ und „Präsident Donald Trump“ stehen noch in den Mediatheken.

Und was sonst noch läuft, findet sich, ohne jede Wertung, in der Rubrik „Was sonst noch läuft“

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