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Highlights: Fremde Menschen, nahe Heimat

„Das Problem ist, wenn man sie wirklich kennenlernt, kann man sie nicht hassen“. Das sagt ein Rechtsradikaler in der Dokumentation „Panorama – die Reporter. Im Nazidorf“ über Ausländer. Recht hat er. In dieser Woche bieten gleich eine ganze Reihe von Dokumentarfilmen die Chance, Flüchtlinge und ihre Geschichten ein wenig näher kennenzulernen. Für „wolfsiehtfern“ eine Woche der Dokumentarfilme im Fernsehen.

In der ARD heimatet es sehr. vom 4.-11.2015 Oktober läuft hier die Themenwoche „Heimat“, mit einigen dokumentarischen Arbeiten, deren Autoren genau hinschauen, Geschichten finden und erzählen und dabei Heimattümelei vermeiden oder jedenfalls unterlaufen. Mit „Zum Glück Deutschland“ haben Luzia Schmid und Birgit Schulz auf eine Umfrage der BBC reagiert, wonach Deutschland das beliebteste Land der Welt sei – eine feinfühlige Recherche ( ARD, 05.10.2015, 22.45-00 Uhr) über den Umgang der Deutschen mit den Fremden. Hier die Kritik.

„Willkommen auf Deutsch“ von Carsten Rau und Hauke Wendler beschreibt am Beispiel eines Norddeutschen Dorfes die Schwierigkeiten des Zusammenlebens von Einheimischen und Asylbewerbern, ein sehr vorsichtiger, gleichwohl anrührender Film (NDR, 07.10.2015, 00.00-01.30). Hier die Kritik.

„Friedland“ von Frauke Sandig, über Menschen im ältesten Erstaufnahmelager der Republik, steht noch in der Mediathek des NDR; hier die Kritik.

Der RBB veranstaltet gleich einen ganzen Themenabend, darin als Zentrum „Land in Sicht“ von Antje Kruska und Judith Keil, der drei Asylbewerber bei ihrem Versuch begleitet, in Deutschland Fuß zu fassen – der vielleicht wichtigste Film dieser Reihe, der zeigt, was erst noch auf die deutsche Gesellschaft zukommen wird (RBB, 07.10.2015, 22.45-00.15). Hier die Kritik.

Unter dem Label „Heimat“ laufen auch jenseits des Flüchtlingsthemas eine Reihe potentiell interessanter Filme. Wir greifen hier jene heraus, von denen Fragestellung oder Autor jedenfalls einiges erwarten lassen. „Ruhr Record“ etwa von Rainer Komers, der als klassischer und zugleich essayistischer und jedenfalls stark visuell orientierter Dokumentarist eine etwas andere filmische Besichtigung des Ruhrgebiets verspricht (Arte, 5.10.2015, 23.30-00.20). In der Reportage „Heimat gesucht – Wohnungsjagd in Kreuzberg“ macht sich Volker Heise („24 H Jerusalem) daran, eine Protagonistin bei der Suche nach bezahlbarem Wohnraum zu begleiten (RBB, 06.10.2015). Mit „Union fürs Leben“ von Frank Marten Pfeiffer und Rouven Rech bleiben wir in Berlin bei der sehr heterogenen Anhängerschaft des Traditionsvereins 1.FC Berlin“ (RBB, 06.10.2015, 22.45-00.20) Einen eher konventionellen Heimat-Blick dürfen wir erwarten, wenn Joseph Vilsmeier sich mit „Bavaria – Traumreise durch Bayern“ in den weißblauen bayrischen Himmel schwingt (BR, 06.10.2015, 22.34-00.15)

„In Sarmatien“ Volker Koepp führt uns Volker Koepp auf eine Reise in eine gleicherweise poetische wie differenzierte Region, die von der Ostsee bis ans Schwarze Meer reicht, umfassend das russische Kaliningrader Gebiet, Litauen, Weißrussland, Polen, Moldawien und die Ukraine. Volker Koepp befragt vor allem junge Menschen nach ihren Vorstellungen von der Zukunft. (RBB, 08.10.2015, 23.15-01.20). Gleicherweise ein Roadmovie der dokumentarischen Art ist der inzwischen schon oft gezeigte Film „Sound of Heimat“ von Arne Birkenstock und Jan Tengeler, er macht aus der Perspektive eines neuseeländischen Musikers mit deutscher Volks- und Volx-Musik bekannt. Hier die Kritik.

Einen interessanten Griff ins Archiv hat ARD-Alpha getan mit „Der Freund und der Fremde – eine Annäherung an Benno Ohnesorg“. Der Schriftsteller Uwe Timm war eine Zeitlang befreundet mit Benno Ohnesorg, dessen Ermordung am 2.6.1967 den Ausgangspunkt für die Studentenbewegung bildete. (ARD-Alpha, 11.10.2015, 22.15-23.15). Hier die Kritik. Zu nachtschlafener Zeit aus dem Archiv geholt hat 3Sat drei Filme aus der im vergangenen Jahr gestarteten Reihe „Ab 18!“, Porträtfilme von jungen Menschen, ganz aus ihrer Perspektive und auf Augenhöhe erzählt (3Sat, 05.10.2015, ab 02.40). Man mag das als Auftakt nehmen zur neuen Staffel von „Ab 18!“, die von 11.-13.10.2015 auf 3Sat läuft. Hier schon mal der Hinweis, weil wolfsiehtfern zwei Wochen Herbstferienpause macht.

Jede Woche wieder bleibt am Ende der Frust, auch wichtige Filme nicht gesehen zu haben und deshalb nicht näher vorstellen zu können: immer ist das Hemd zu kurz. Das trifft in dieser Woche vor allem Dokumentarfilme im Kino. Deshalb nur der Hinweis hier auf „Landraub“ von Kurt Langbein und Christian Brüser, der sich mit einem extrem wichtigen Thema befasst, dem Zugriff des Finanzkapitals auf Agrarflächen, die wichtigste Ressource der Erde. Und „The Serbian Lawyer“ von Aleksandar Nicolic, ein Film über den Rechtsanwalt, der den serbischen Kriegsverbrecher Karadcic vor Gericht verteidigte. Drei Filme aus der Vorwoche bleiben auf der Empfehlungsliste, „Iraqui Odyssey“ von Samir (hier die Kritik), „Arbeit macht das Leben süß, Faulheit stärkt die Glieder“ von Claudia Funk (hier die Kritik) und natürlich „The Look of Silence“ von Joshua Oppenheimer, den manche als das Dokumentarfilmereignis dieses Jahres feiern und der auch schon zahlreiche Preise eingefahren hat.

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