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„Wolfgang Schäuble – Macht und Ohnmacht“. Von Stephan Lamby

Verabredet war das filmische Porträt noch ehe die EU-Griechenlandkrise ausbrach. Jetzt führt der Dokumentarfilm direkt hinein in die politische Gegenwart. Stephan Lamby zeigt den Politiker Wolfgang Schäuble in seiner Konfrontation mit Jannis Varoufakis und reflektiert Schäubles politische Geschichte – ein spannendes Porträt für alle, die Politik nicht von vornherein für einen Charakterdefekt halten. ARD, Mo 24.8.2015, 21.30-2.45 Uhr, danach in der Mediathek.

Wolfgang Schäuble gehört zur Elite der bundesdeutschen Politik seit Anfang der siebziger Jahre, 1972 Bundestagsabgeordneter, später Fraktionschef, unter Kohl Kanzleramtschef und Innenminister. Und auch wenn ihm zwei mögliche Spitzenpositionen verwehrt wurden, die Kanzlerschaft von Kohl und das Bundespräsidentenamt von Merkel, so agierter er doch immer wieder an den zentralen Schaltstellen der Politik, in der Spendenaffäre der CDU, als Innenminister an der Ausarbeitung des Wiedervereinigungsvertrags und nun, zuletzt, als führender Politiker in der Griechenland-EU-Krise.

Diese Krise bildet denn auch den Rahmen des langen Porträts und sie läuft – in diesem Sinn hält auch Lamby sich an den Mainstream – als Erzählung eines Duells zwischen zwei gegensätzlichen Männern, Schäuble eben und Jannis Varoufakis, dem griechischen Finanzminister. Ob dieser Gegensatz für diese Krise der politisch ausschlaggebende war, darf bezweifelt werden. Für die erzählerische Kontur eines Films ist eine solche Konstellation natürlich naheliegend. Sie verhindert leider auch ein paar politisch weiterreichende Nachfragen: etwa die, ob die gusseiserne Haltung des Konservativen Schäuble nicht auch darauf zurückzuführen sein könnte , dass er – nunmehr eher als außenpolitischer Akteur – es nicht zulassen wollte, dass eine linke Alternative in Europa sich als erfolgreiche politische Kraft etablieren könnte. Immerhin: der Film beteiligt sich nicht am medialen Erfolgsmodell des Griechenland-Bashing.

Lamby wählt einen anderen Gesichtspunkt: Schäubles immer wieder erkennbare Loyalität zum jeweiligen politischen Führungspersonal Kohl und Merkel. Ein „Staatsdiener“ im Wortsinn sei Schäuble, so der Kommentar des Autors, ein Mann, der für seine Überzeugungen auch bis an die Grenzen seiner körperlichen Kraft gehe. Der Film greift aus der politischen Rahmenhandlung der Griechenland-Krise heraus immer wieder zurück auf zentrale politische Stationen, die das belegen. Er zeigt einen Schäuble, der in der Lage war, auch schwere politische Krisen wie die Parteispendenaffäre zu überstehen wie auch schwere private wie das Attentat von 1990, das ihn zu einem Leben im Rollstuhl zwang.

Und weil Lamby den Finanzminister ein halbes Jahr lang immer auch auf politischen Reisen begleitete, sieht und begreift man etwas von Schäubles Verhalten: Sein Verstecken hinter einem Schwall von Ironie (wie Stefan Willecke das in seinem schönen ZEIT-Porträt im Juni beschrieben hat) und seiner ständigen Lust, sein Gegenüber auch mit verrätselten Bemerkungen und halb geöffneten und halb wieder verschlossenen Antworten herauszufordern. Ein Beispiel dafür ist die kurze 15-sekündige Passage, in der Schäuble behauptet, es habe in der Parteispendenaffäre gar keine Spender gegeben, sondern es sei um noch existierende schwarze Konten aus der Flick-Spendenaffäre gegangen. Diese 15 Sekunden haben dann auch in den Medien schnell die tagespolitische Runde gemacht und den Blick auf den ganzen Film verstellt, der glücklicherweise tiefer geht.
„“Wolfgang Schäuble – Macht und Ohnmacht“ , ARD, Mo 24.08.2015, 21.30-22.45 Uhr

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