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Im Übrigen bin ich der Meinung dass,

man die ARD nicht in Ruhe lassen sollte mit der Forderung, mehr für den Dokumentarfilm zu tun.

Und zwar auch dann, wenn Programmdirektor Volker Herres mal wieder mit Schaum vor dem Mund reagiert, weil ihm die AG Dok, die Interessenvertretung der Dokumentarfilmer, ein paar unangenehme Zahlen vor die Nase hält. Im jüngsten Streit geht es um Zahlen, die belegen, dass der Anteil an Informationssendungen in der ARD kontinuierlich abnimmt. Und die stammen nicht aus irgendwelchen interessegeleiteten Quellen, sondern aus der ARD-eigenen Medienforschung. Das IFEM-Institut konstatiert einen Rückgang von Filmen der Kategorie Dokumentation / Bericht / Reportage von 2012: 7,1% auf 2014 5,5%. Das Ganze gibt es sogar minutengenau: Von 2012 145 min am Tag auf 122 min täglich im Jahr 2014. Das bedeutet gegenüber 2012 ein Minus von 16 %.

Die AG Dok versteht deshalb die Aufregung bei Volker Herres nicht (und damit geraten wir ins Kraftfeld der Statistik, wo bekanntlich jeder nur der Statistik glaubt, die er selbst gefälscht hat): “Vielleicht liegt es ja daran, dass die ARD die Bezugsgrößen ihrer statistischen Aussagen ständig verändert und dadurch allmählich selbst den Überblick verliert. Auch jetzt wieder beruft sie sich auf eine Kategorie, die es in der offiziellen Programm-Statistik gar nicht gibt – nämlich auf die ‚relevante Sendezeit ab 20.15‘ . Für das IFEM-Institut -und damit für die von der ARD benutzte Programm-Statistik- beginnt die „Hauptsendezeit“ allerdings um 19 Uhr und dauert bis 23 Uhr. Diese gleichsam offizielle und wissenschaftlich anerkannte Einordnung kann Herr Herres aber schon deshalb nicht gebrauchen, weil dieses Zeitfenster vorbei ist, bevor viele Dokumentationen im Programm des „Ersten“ überhaupt anfangen. Festzuhalten bleibt: die ARD steht mit ihrem Dokumentations-Angebot keineswegs so gut da, wie sie glauben machen möchten. Denn so schön es klingt, dass im Abendprogramm des ‘Ersten‘ zwischen 122 und 135 Stunden Dokumentationen im Jahr gezeigt werden – geteilt durch 365 Tage sind das kaum mehr als 20 Minuten am Tag. Oder eben die 8,5 Prozent der Sendezeit, die in der Programm-Statistik der Media-Perspektiven ausgewiesen sind. Mit dem traumhaften und für viele deutsche Dokumentarfilmer unerreichbaren Minutenpreis von 1500 Euro multipliziert, würden diese 135 Stunden die ARD 12,15 Millionen Euro kosten – gerade einmal 0,2% der 6 Milliarden, die der ARD jährlich aus dem Rundfunkbeitrag zustehen. Oder, anders gerechnet: ganze 2,8 Prozent der 450 Millionen, über die der Sport-Etat der ARD verfügt. Ein Genre, das im Kernbereich des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags steht, wird in der ARD mit 8,5 Prozent der Sendezeit und mit 0,2 Prozent des Gesamthaushalts abgespeist. Das ist nicht genug. Das ist armselig.“

Das Ganze basiert auf dem programmpolitisch nicht unbedeutenden Vorgang, dass die ARD nach dem Rückzug von Günter Jauch insgesamt ihre Polittalks etwas zurückfährt, Anne Will auf den Sendeplatz am Sonntag Abend zurückschickt, nunmehr Sandra Maischberger auf den Mittwoch schiebt – und den Dienstag doch wieder mit fiktionalem Programm aufrüsten will statt mit dokumentarischem. Die AG Dok sagt dazu: „Der Anteil fiktionaler Angebote im Hauptprogramm liegt hingegen schon jetzt bei 43 Prozent. Da muss doch die Frage erlaubt sein, ob ein frei werdender 90-minütiger Sendeplatz unbedingt für weitere fiktionale Angebote reserviert werden muss.“

Die ganze Auseinandersetzung lässt sich en detail verfolgen auf: http://www.agdok.de/de_DE/das-gebrochene-wort, und http://www.daserste.de/specials/ueber-uns/volker-herres-haltlose-vorwuerfe-der-ag-dok-100.html,

Im Übrigen könnte man auch einwenden, dass die ARD in den letzten Wochen auf dem Dienstag-Sendeplatz doch recht eifrig Dokumentarfilme gesendet hat: „Wer ist Thomas Müller“, „Fassbinder“, „Krieg der Lügen“ und in dieser Woche „Falciani“. Das ist auch recht eindrucksvoll. Aber vor lauter Dankbarkeit gleich in die Knie gehen sollte man auch nicht, denn es handelt sich eben auch nur wieder um die halbe Wahrheit. In den besonders fernsehintensiven Zeiten im Herbst und Winter hat der Dokumentarfilm in der ARD weitgehend keine Chance. Die Statistik, die sich auf Durchschnittswerte bezieht, gibt das nicht zu erkennen. Wochenlang findet man in diesen Monaten nicht eine einzige Produktion im Programm, nicht einmal um Mitternacht. Dokumentarfilme sind keine Quotenbringer, gewiss, und das ist auch kein Geheimnis. Die ARD ist aber eine öffentlich-rechtliche Anstalt und keine kommerzielle Sendeklitsche. Sie hätte die Aufgabe, das ganze Jahr über dafür zu sorgen, dass die Zuschauer mit einer der reizvollsten, abwechslungsreichsten und spannendsten Filmformen Bekanntschaft machen können. Und dafür beispielsweise mal auch die Promotionmaschine anlaufen lassen.

Apropos: das ZDF hat außer dem „Kleinen Fernsehspiel“, das stets nur zu mitternächtlicher Stunde laufen darf, überhaupt keinen Sendeplatz für Dokumentarfilme. Man sollte den Mainzelmännchen mal in dieser Sache auf die Füße treten.

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