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Highlights: Banker, Roma und Erkundungen in der Geschichte

Im Mai zieht es nicht nur die Blüten aus den Pflanzen, sondern auch die Dokumentarfilme in die Kinos. Derzeit laufen eine Reihe interessanter Filme, die hier aus Zeitgründen gar nicht rezensiert werden können. Wolfsiehtfern stellt sie kurz vor, in der hehren Absicht, sich auch nach Möglichkeit später noch gründlicher dazu zu äußern. Die Filme laufen natürlich in den Arthouse-Kinos und meist nur kurze Zeit, so dass man sich sputen muss, will man sie sehen.

Ein Film der leisen Töne und Nuancen ist: „Padurea e za muntele, vezi? Der Wald ist wie die Berge“. Didier Guillain und Christiane Schmidt erzählen von einer Roma-Familie in einem rumänischen Dorf. Es fahren noch Pferdekutschen umher und alte Traktoren. Es gibt nicht mehr viel Arbeit, zur Kartoffelernte werden die Dörfler als Tagelöhner engagiert. Kurz und schmerzlos verlässt einer der Männer das Dorf, vermutlich um Arbeit anderswo zu suchen. Die Nöte sind allgegenwärtig, aber Aron Lungurar ist auch enthusiastisch. Er ist Chef des Dorfes, organisiert für alle, was er nur organisieren kann und doch wird ihm das Chefsein allmählich auch schwer. Ein Bild einer besonderen Großfamilie und dann auch wieder die Blicke auf das Dorf von einem Hügel außerhalb, bei wechselnden Jahreszeiten und wechselnden Stimmungen. Die Zeit steht hier still und die Bilder sind von einer elegischen Schönheit. Der Film bekam auf dem Duisburger Dokumentarfilmfestival 2014 den Förderpreis der Stadt Duisburg.

In „Die Widerständigen“ erforschen Katrin Seybold und Ula Stöckl das Schicksal aller Beteiligten der Nazi-Widerstandsgruppe Weiße Rose. Jeder kennt die Namen von Hans und Sophie Scholl, die zusammen mit Christan Probst als Anführer der Widerstandsgruppe Weiße Rose 1943 im Nationalsozialismus nach einer Flugblatt-Aktion verhaftet und kurze Zeit später zum Tode verurteilt wurden. Der Film widmet sich jedoch nicht nur diesen berühmten Vertretern des Nazi-Widerstands, sondern richtet den Blick auch auf all die Menschen der Flugblattaktionen der Weißen Rose, die im Hintergrund geblieben sind. Mittels Interviews von beteiligten Zeitzeugen lassen sie die damaligen Geschehnisse – die andauernde Furcht, die Verhöre, die Inhaftierungen – wieder aufleben. Katrin Seybold ist vor zwei Jahren gestorben, Ulla Stöckel hat das Projekt zu Ende gebracht.

Allmählich kommt auch die Finanzkrise bei den Dokumentarfilmern an. Mit „Der Banker – Master of the Universe“ lieferte Marc Bauder“ eine Innensicht der Denkweise von Investmentbankern, Harald Schumann hat in „Die Trioka“ die Aktivitäten der EU-Finanzkrake in Griechenland filetiert. Jetzt erzählen in „The Forecaster“ der Dokumentarist Marcus Vetter und die Journalistin Karin Steinberger einen Thriller aus der Finanzwelt, wie man ihn sich offenbar kaum ausdenken kann. Es geht um Martin Armstrong, einen Mann, der von sich behauptet, alle Finanzkrisen vorausgesehen zu haben, der wegen dubioser Geschäfte seiner Bank hinter Gitter kam, offenbar zu Unrecht. Hört sich spannend an. Was die interessanten Wiederholungen von Dokumentarfilmen im Fernsehen angeht, hat diese Woche einiges zu bieten. Hier die wichtigsten Filme:

In der Satiresendung „Die Anstalt“ haben viele Zuschauer vermutlich zum ersten Mal von seinem Schicksal gehört. Agyris Sfountouris überlebte als Vierjähriger ein Massaker der SS im griechischen Dorf Distimo. Er verliert seine Eltern und 30 weitere Angehörige. ER kommt dann in ein Waisenhaus in Athen, später ind Schweiz in ein Kinderdorf, studiert, wird Mathematiker und Astrophysiker. Und musste sich zeitlebens mit dem Traum seiner Kindererfahrung auseinandersetzen. In „Ein Lied für Agyris“ erzählt Stefan Haupt vom Leben dieses Mannes, ein bewegender Film. In „Die Anstalt“ hat Agyris Sfountouris auch davon gesprochen, dass er keinerlei Entschädigung erhalten hat und dass sich erst vor kurzem Bundespräsident Gauck als erster für diese Massaker entschuldigt hat. Ein notwendiger Beitrag zur Debatte um Reparationszahlungen, um die sich die deutsche Regierung so lange und so erfolgreich gedrückt hat. „Ein Lied für Agyris“, 3Sat, Mo 11.5.2015, 22.00 – 23.45 Uhr

„Meine Mutter, ein Krieg und ich“ von Tamara Trampe und Johann Feindt, (D 2014) führt zurück in den zweiten Weltkrieg und die Ukraine. Tamara Trampe ist Filmemacherin, sie kam in einem Schützengraben zur Welt und sie sucht nach ihrer Geschichte. Zwei Jahre vor dem Tod ihrer Mutter hat die Regisseurin mit ihr noch ein Interview vor der Kamera geführt und darin auch die Frage nach dem Vater gestellt. Die Mutter antwortet abweichend. Der Vater war Kommissar, geliebt will sie ihn nicht haben, nur Respekt sei da gewesen. Er war Kommissar der Roten Armee, überdies verheiratet und vierfacher Vater, wurde nach der Affäre versetzt und verschwand. Ob es Liebe im Krieg gebe, will die Filmemacherin wissen. Diese Frage stellt sie auch Menschen, die wie ihre Mutter im Krieg gelebt haben. Die alten Frauen haben noch ihre Uniformjacken im Schrank mit den vielen Orden, sie ziehen sie auch an vor der Kamera und es ist nichts Anrüchiges daran. Es hängen Leben und Tod und Überleben dran, nicht irgendwelche, sondern existenzielle Geschichten. Und da ist man auch schon mittendrin in der Erinnerung, aber die ist, wie immer: sehr verblasst. Eine der alten Frauen kann sich vor der Kamera an vieles nicht mehr erinnern, sie hadert mit dem Verlust und macht ein böses Gesicht. Aber das weiß sie: Liebe an der Front hat es nicht gegeben. Und dann sprechen die Frauen über Leben, Überleben, über den Kampf. Mit diesen Erinnerungen ist es wie mit den Fotos, die Tamara Tampe hervorholt: vergilbt, teilweise zerstört, an den Rändern eingerissen. Was genau sie uns wissen lassen wollen, was ihre Perspektive ist, weiß man nicht immer zu sagen. Andererseits: man sieht hier Menschen, die einmal jung waren , lebenshungrig und schön, die ihr Leben dem Krieg überantwortet haben. Man sieht in diesen Gesichtern die gestohlenen Jahre. Am Ende führt diese Spurensuche nicht an den Ort, wo die TV-Historiker sich gerne aufhalten, wo sie nach bewährten Mustern alles in 45 Minuten klar machen. Nichts hier in diesem Film ist einfach, abgerundet, abgeklärt. Hier ist Freude und Trauer, Erinnerung und Vergessen, gelebtes und verpasstes Leben, gewonnener und verlorener Mut. http://www.meinemuttereinkriegundich.de;  (ZDF Kultur, Mi 13.05.2015, 20.15 – 21.30 Uhr)

Wolfsiehtfern bleibt ferner beim Hinweis, dass ARD-alpha, der Sender im Schatten, sich des Fernsehevents „24 h Jerusalem“ immer noch annimmt und in Stundenportionen werktags ausstrahlt (wochentags, jeweils 22.45 Uhr). Derzeit ist das 24- Stundenpanorama in der Mittagszeit angekommen. Hier die Kritik.

Herbstgold“ ist zu später Stunde noch einmal bei Arte programmiert – wer diese wunderbare Erzählung von alten Menschen, die den Sport nicht lassen können, noch immer nicht gesehen hat, hat hier noch eine Gelegenheit, mitten in der Nacht (Arte, Mo 11.05.2015, 01.50 – 03.25 Uhr) Hier die Kritik zum Film.

„Camp 14- Total Control Zone“ von Marc Wiese, in diesem Jahr mit Grimmepreis versehen, ist auch noch immer wieder mal im Programm, diesmal in der Arte-Wiederholungsschleife spät nachts (Di 12.05.2015, 02.15-04.00 Uhr.) Hier die Kritik.

Der WDR zeigt den im Kino recht erfolgreichen Film „Sound of Heimat“ von Arne Birkenstock und Jan Tengeler, der seine Zuschauer auf ein von einem auswärtigen und deshalb unbefangenen Musiker geführtes Roadmovie von der Volks- zur Volxmusik mitnimmt. (WDR, Di 11.05.2015, 23.15 – 00.45 Uhr) Hier die Kritik.

Die recht materialreiche und rechercheintensive Dokumentation über die Frage, wem eigentlich die Stadt gehört, folgt den Windungen, Strukturen und Ungerechtigkeiten des Hypes in der Immobilienbranche. „Wem gehört die Stadt? Wenn das Geld die Menschen verdrängt“ (Phoenix, Sa 16.05.2015, 22.30 – 00.00 Uhr). Hier die Kritik.

Dass Edward Snowdon nicht der erste wirkmächtige Whistleblower war, erzählt der Film „Der gefährlichste Mann in Amerika“. Thomas Gehringer schreibt über den Film.

Und der SWR hat am Sonntag, den 17.05.2015 um 9.15 morgens ein schönes Versteck gefunden für die Wiederholung des politisch interessanten Vierteilers „Was war links“ von Christoph Andreas Schmidt. Der Film ist von 2003 und nicht uninteressanter geworden. Hier die Kritik.

Und was sonst noch läuft….

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