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Im Übrigen bin ich der Meinung, dass

wir grade wieder etwas dazu lernen über die Macht der Bilder und über den Kampf um die Bilder, wie er auch das dokumentarische Arbeiten nicht unberührt lassen kann.

Anlass sind die grauenhaften Morde in der Redaktion von Charlie Hebdo. Ein paar Stichworte zum Nachdenken.

Erstens über die Macht der Kunst. Viele Karikaturisten haben auf den Tod der Kollegen mit Karikaturen geantwortet, die wiederum weltweit publiziert werden und sich rasend über die sozialen Netzwerke verbreiten. Es sind großartige Arbeiten dabei, wütende, sarkastische, traurige. Am anrührendsten vielleicht eine Zeichnung von Uderzo, der noch einmal seinen Zeichenstift gezogen hat und Asterix und Obelix sich vor den Toten verneigen lässt, während Idefix verwirrt um sich schaut wie die Grande Nation insgesamt.

Zweitens über den Umstand, dass das Netz die Toten wieder auferstehen lässt. 2012 haben die Zeichner von Charlie Hebdo für „Clowns sans frontières“ gezeichnet, für Kinder auf einer Glasscheibe, wie es seinerzeit Picasso das für Henri-Georges Clouzot getan hat. Diese Szenen existieren weiterhin als Film-Dokumente über Lebende. Sie leben in den sozialen Netzwerken

Drittens über die Debatte zur Frage, was in den Medien gezeigt werden kann, soll, darf, muss. Etwa die Videosequenz, die zeigt, wie einer der Attentäter den bereits verletzten Polizisten mit einem Kopfschuss hinrichtet. Stefan Lambys Videoportal dbate hat die Szene nicht gezeigt, CNN doch, die Tagesschau hat verpixelt. Die zentrale Frage dabei ist immer, ob solche Szenen den Mördern in die Hände spielen, indem sie ihren perversen Ruhm vergrößern. So wie sie es auch darauf anlegten, am Ende als Märtyrer dazustehen, wozu sie auch die Berichterstatter und Bildverbreiter brauchen.

Viertens: Man kann es sich nicht aussuchen. Vermutlich hat David Hugendick in der ZEIT recht, wenn er dieses Amateurvideo zum ikonischen Bild erklärt. In den letzten Monaten haben wir immer irgendwo die grässlichen Propagandavideos des IS gesehen, die Erschießungen zeigen und Hinrichtungen. Aber das waren immer noch Propagandabilder und als solche auch kenntlich. Dieses hier ist ein nicht-inszeniertes Bild. Es verbindet sich nun mit den IS-Bildern und enthält die Botschaft, dass der islamistische Terror in Europa angekommen ist.

Fünftens. Das Netz, das egalitäre, hat auch dafür gesorgt, dass wir zur Kenntnis nehmen: Nicht nur berühmte Zeichner, Journalistenkollegen, sind ums Leben gekommen , sondern auch namenlose Polizisten. Auch die Komplementärwürdigung des toten Polizisten Ahmed Merabet, der selbst Muslim war, verbreitete sich rasend schnell über das Netz.

Sechstens. Die Debatte um die alberne US-Komödie „The Interview“ sieht plötzlich ganz alt aus, wenn nunmehr die Meldungen um die Welt gehen, dass die US-Medien Mohammed-Karikaturen nur verpixelt zeigen.

Siebtens. Diese Bildergeilheit. Unablässiges Bemühen der Politik, verwertbare Bilder zu produzieren. Netanjahu und Mahmud Abbas in einer Reihe, durch fünf Staatsoberhäupter getrennt. Sarkozy schiebt sich nach vorn, er will noch einmal was werden. Angela Merkel lehnt mit geschlossenen Augen an der Schulter von Francois Hollande. Das ZDF liegt mit dem Sendungstitel „Frankreich trauert“ ganz daneben, denn Frankreich demonstriert, der Place de la République verdient seinen Namen und für diese paar Stunden ist die französische Rechte verschwunden. Aber nur für die paar Stunden.

Achtens. Wir werden leider noch genügend Gelegenheit haben, Beobachtungen aus den
Bilderkriegen fortzuschreiben.

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