Die Sendung „Hier und Heute“ gehört zum festen Inventar, des WDR Vorabends. Seit einiger Zeit kann man hier auch klassischen Dokumentarfilm sehen. Hier ein Interview mit dem Redaktionsleiter. Ansonsten weihnachtet es sehr und das bedeutet im Fernsehprogramm, dass demnächst gefühlte 500 Märchenverfilmungen im Programm stehen und das Dokumentarische kaum eine Chance hat. Hier die Funde der Woche.
Fatih Akin dreht nicht nur Spielfilme, sondern auch Dokumentarfilme. „Müll im Garten Eden“ spielt in Camburnu, dem Heimatdorf der Großeltern des Filmemachers. Als er dort für seinen Spielfilm „Auf der anderen Seite“ drehte, erfuhr er auch von der Mülldeponie, die im dem Dorf am Schwarzen Meer angelegt wurde und sich zu einer Umweltkatastrophe auswuchs. David gegen Goliath – ein kleines Dorf kämpft gegen Bürokratie, Ignoranz, Korruption. Fatih Akin hat einen klassischen Dokumentarfilm gedreht, ohne Kommentar, mit Interviews und einem starken und in schwelgerischen Bildern zelebrierten Sinn für die Schönheit der Landschaft, die hier zugrundegerichtet wird. Aber auch mit einer parteilichen Kamera, mittendrin in den Konflikten, etwa in einer zentralen Szene, in der die Einwohner des Dorfes einige der Verantwortlichen stellen und in eine harte Auseinandersetzung zwingen – ein Film also auch über Zivilcourage und das diesmal nicht vom Tahsin, sondern aus der türkischen Provinz. (Phoenix, Sa 20.12.2014, 22.30 – 00.05 Uhr)
Um das derzeit viel diskutierte Thema Inklusion geht es in dem Film um den Alltag an der inklusiven Gemeinschaftsgrundschule „Berg Fidel“, altersgemischt und jeder nach seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten. Drei Jahre lang hat die Regisseurin Hella Wendser vier dieser Kinder mit der Kamera begleitet. Natürlich wieder nach Mitternacht (ZDF, Mo 15.12.2014, 00:15 – 01.40 Uhr)
Volxmusik der etwas anderen Artt findet der neuseeländische Musiker Hayden Chisholm in Arne Birkenstocks Film „Sound of Heimat“. Der Regisseur schickt ihn auf ein Roadmovie durch die deutschen Lande und er findet einerseits erhaltenswerte Traditionen und andererseits Neuerer, die die Traditionen hinter sich lassen und die Musik von heute aus probieren. Ein schöner, aufschlussreicher Film, natürlich auch wieder nach Mitternacht. (NDR, Di 16.12.2014, 0.00 – 01.45 Uhr.) Hier die Kritik.
Im Kino ist am 11.12. angelaufen: „Ein besonderes Bedürfnis“ von Carlo Zoratti. Er erzählt die Geschichte von Enea, dem 29-Jährigen, der Autist ist und auf der Suche nach der großen Liebe. Seine zwei besten Freunde Carlo (der Regisseur) und Alex machen sich mit ihm auf eine Expedition quer durch Europa, an deren Ende der Abschied von Eneas Jungfräulichkeit stehen sollte. Was die drei auf ihrem Männerausflug anstellen und was sie erleben, das ist manchmal komisch, manchmal traurig, manchmal besonders. Enea als Protagonist ist umwerfend, seine Zugewandtheit und Freundlichkeit bestechend. Ein Film nicht bloß mit einer Botschaft über die Integration von Behinderten, sondern einer Botschaft der Menschlichkeit. Leider ist das road movie über weite Strecken durchinszeniert und man kann sich nie wirklich sicher sein, ob hier nicht schnurstracks in die Kamera hinein gespielt wird – so als ob der Regisseur seiner eigenen und von ihm selbst auch erspielten Geschichte nicht wirklich über den Weg trauen wollte. Das nimmt dem Film die Spontaneität und Authentizität, die möglich wäre. „Ein besonderes Bedürfnis“ wurde auf vielen Festivals gezeigt und bekam auch zahlreiche Preise, unter anderem auf dem Dokumentarfilmfestival in Leipzig 2013.
Und in dieser Woche noch mal die Hinweise auf „Titos Brille“, der in den Kinos zu sehen ist und „Meine Mutter, ein Krieg und ich“, der noch ein paar Tage in der Arte-Mediathek steht und dann vielleicht in die Wiederholungsschleifen gerät. Hier die zusammenfassende Kritik.