„Unser täglich Brot“ nennt der österreichische Dokumentarist Nikolaus Geyrhalter seinen Film nach einer Zeile aus dem katholischen Vaterunser. Den zweiten Teil des Gebets, man möge uns unsere Schuld vergeben, kann der Zuschauer sich, wenn er denn will, selber denken. Zunächst aber kann er nur schauen und staunen. (ZDF Kultur, 3.12.2014)
Erst werden sie ausgebrütet in großen Schränken, dann laufen sie zu zehntausenden in riesigen Hallen umher. Wenn sie groß genug sind, saugt ein großer Staubsauger sie auf ein Fließband, das schickt sie direkt an den Haken. An dem zappeln sie ihr Restchen Leben aus und baumeln dann gleichmütig und mit durchschnittener Kehle der Verpackung entgegen. So werden aus Küken Brathähnchen.
Man möchte so gern glauben an glückliche Kühe auf saftigen Almen, an friedlich pickende Hofhühner und verträumte Karpfen. Doch in der industriellen Nahrungsmittelproduktion führen alle Wege aufs Fließband. Wie die Arbeit an unseren Lebensmitteln wirklich vor sich geht, zeigt der Film in genauen, sorgfältig komponierten, choreographierten Bildern, kalt und schön. Ein Roadmovie führt durch eine Science-Fiction-Welt der Gegenwart. Die Kamera gleitet durch industrielle Landschaften, vorbei an Glashäusern, die wie eben gelandete Ufos aussehen, streift wie von Christo verpackte Spargelfelder, steigt tief mit hinab in ein blau schimmerndes Salzbergwerk. Dazu tönt der Lärm der Maschinenwelt. Bänder rattern, Metall klirrt, Hydraulik atmet. Pedantische Maschinen zerlegen vollautomatisch Lachse und in riesigen Gewächshäusern gehen Menschen in Schutzanzügen sachlich ihrer Arbeit im Giftsprühnebel nach: Marsmenschen im Treibhaus. Menschen spielen in diesem ganzen Prozess nur eine kleine Rolle. Sie arbeiten und sind Teil der Maschinerie. Zwischendurch machen sie Pause, essen ihr täglich Jausenbrot und unterhalten sich über Rentenkürzung.
Geyrhalters strenger und dichter Film liefert Einblicke in eine Wirklichkeit, die den meisten Menschen verborgen bleibt. Hier werden die Grundlagen unserer Ernährung und unseres Lebensstils gelegt und doch möchte man sich diese Wirklichkeit nicht unbedingt näher vorstellen. Man müsste sonst eine Haltung dazu entwickeln. Und genau das erspart der Film seinen Zuschauern nicht. Geyrhalter hat keine Interviews geführt, in denen sich möglicherweise Schuldige finden ließen, auf die man mit Fingern zeigen kann. Er empört sich nicht, um uns ein wenig Empörung abzunehmen. Er kommentiert und erklärt die Vorgänge nicht, er zeigt sie nur und fordert damit zum Selberdenken auf.
„Unser täglich Brot“. Dokumentarfilm von Nikolaus Geyrhalter. ZDF Kultur, 3.12.2014, 23.25 – 00.35 Uhr