Auch diese Highlights sind nur ein Ausschnitt aus dem Angebot dieser Woche. Es enthält wieder einige sehr interessante Produktionen, zwei Kino-Dokumentarfilme und eeinige Ausgrabungen im TV – etwa den schwedischer Film über Black Power oder Black Box BRD, einer der wichtigsten politischen Dokumentarfilme der letzten Jahrzehnte. Reinschauen, hängen bleiben und Erkenntnisse mitnehmen. Vor zehn Jahren hat Andreas Dresen „Herr Wichmann von der CDU“ und dessen Alltag als Abgeordneter im Brandenburger Landtag gedreht. Komischer und zugleich ernsthafter hat man Politik in action kaum gesehen. Mit „Herr Wichmann aus der dritten Reihe“ schreibt Andreas Dresen jetzt fort, wie Henryk Wichmann unerschütterlich an der Basis weiterwuselt, Schulen und Seniorenmessen besucht, sich um Kleinigkeiten kümmert. Andreas Dresen, den wir sonst als Spielfilmregisseur kennen („Halt auf freier Strecke“) dreht, geerdet wie er ist, auch Dokumentarfilme.
Über seinen Protagonisten Henryk Wichmann hat er sich im Interview geäußert: „Er hat keine Scheu vor irgendetwas. Durch seine unerschrockene Art, fast schon Donquichotterie, setzt er sich permanent komplizierten Konstellationen aus. Das produziert neben Dramatik auch eine gehörige Portion Komik, was für einen Film sehr hilfreich ist; und das Vertrauen zwischen uns wuchs. Ich habe an vielen Sitzungen teilgenommen: Die sind filmisch keine Knaller. Für mich war ausschlaggebend, dass er in den Wahlkreis gehen würde. Was dort passiert, konnte ich nicht wissen: Ich habe es mir nicht ansatzweise so kleinteilig und mühsam vorgestellt. Im Laufe der Zeit wuchs mein Respekt vor ihm: wie er völlig ohne Zynismus agiert. Das schlägt sich im Film nieder, obwohl ich keinesfalls volkshochschulmäßig belehren will. Manchmal hat mich gewundert, womit die Bürger ihn behelligen – da ist viel Egoismus und Ignoranz im Spiel.“
Der Film lief auf der Berlinale und gewann den Publikumspreis beim Filmfest Schwerin 2012.
„Herr Wichmann aus der dritten Reihe“. Von Andreas Dresen, D 2012, rbb, 25.11.2014, 22.45 – 00.15 Uhr
Von den Söhnen und Töchtern von Widerstandskämpfern gegen das Nazi-Regime wollte die bundesdeutsche Nachkriegsgesellschaft lange nichts hören. In den Denkmustern des Kalten Krieges war kein Platz für sie. Davon erzählt Christian Weisenborn in „Verräterkinder“. Hier die Kritik.
„Verräterkinder“ von Christian Weisenborn. HR, 25.11.2014, 22.45 Uhr
Noch nicht sehen konnte ich „Zündfunk Radio Show“ von Jörg Adolph und Gereon Wetzel. Beide sind ausgewiesene Dokumentarfilmer der klassischen Schule, also mit kommentarfreien, auf den selbstdenkenden Zuschauer gerichteten Filmen. Die beiden Autoren befassen sich in ihren Filmen immer wieder mit kultureller Produktion („How to make a book with Steidl“, „Notwist“). „Zündfunkradioshow“ dürfte durchaus in diese Reihe passen. Der Film beobachtet die Arbeite der Redaktion des BR2-Szenemagazins „Zündfunk“, das schon seit 1974 sendet und immer noch etwas Besonderes geblieben ist. Es geht auch wieder um Qualität und Relevanz, um ein Radio, das anderes bietet als der Dudelfunkt, um Popmusik, die ernst genommen wird als „lebensrettender Sound für eine zerbrechliche Jugend oder auch Guide durch die Midlife-Crisis“, wie die Autoren schreiben. Und sie finden „Hier wird der öffentlich-rechtliche Auftrag wirklich ernst genommen“. Das gilt dann wohl auch für den Film.
„Zündfunk Radio Show“ von Jörg Adolph und Gereon Wetzel, BR, 25.11.2014, 23.25 – 00.45 Uhr
Volksmusik ist nur im Fernsehen festgetackert auf den Grobkitsch von Musikantenstadl, Stefnie Hertl, Hansi Hinterseer und Florian Silbereisen. In Wirklichkeit beschäftigen sich in vielen Regionen Menschen ernsthaft mit ihren musikalischen Traditionen, wollen sie entweder pflegen oder neu interpretieren. Ein Roadmovie von Arne Birkenstock mit dem entsprechenden „Sound of Heimat“. Hier die Kritik. (WDR, 25.11.2014, 23.15 Uhr)
In den 70er Jahren fuhren schwedische Journalisten in die USA, um über Hintergründe der farbigen Bürgerrechtsbewegung zu recherchieren. Sie sprachen mit allen wichtigen Persönlichkeiten, mit Stokeley Camichael und Angela Davis, mit Bobby Seale und Eldridge Cleaver. Dann verschwand das Material für lange Zeit im Archiv des Schwedischen Fernsehens. Mehr als dreißig Jahre später hob der schwedische Regisseur Göran Olsson diesen Schatz und machte ihn in „The Black Power Mixtape 1967 – 1975„ zugänglich. Die Protagonisten von damals kommentieren selbst die Interviews und die Ereignisse. Vor allem interessant sind die originalen Interviews. Etwa eines mit Angela Davis, die damals im Gefängnis saß und eine glänzende und von kalter Wut gezeichnete Analyse der Gewaltfrage liefert, wie Black Power sie sich stellte. Ein großartiges Dokument der Black Power Bewegung. ZDF Kultur zeigt den Film leider nur in der verkürzten 60-Minuten-Fassung.
„Das Black Power Mixtape 1967-1972“. Von Göram Olsson, USA / SWE / NOR 2011. ZDF Kultur, Mi 26.11.2014, 23.20 – 00.20 Uhr
In einem ehemaligen Safaripark in Gänserndorf im Osten Österreichs leben 40 Schimpansen aus dem ehemaligen Versuchslabor der Firma Immuno. Sie wurden mit HIV- und Hepatitis-Viren infiziert, ohne alle Ergebnisse. Nachdem der Konzern die traumatisierten Tiere abgestoßen hatte, werden sie von vier Pflegerinnen betreut und auf ein Gruppenleben vorbereitet. Ein Außengehege wird für die Tiere gebaut. Christian Rost und Claus Strigel beobachten in ihrem Film „Unter Menschen“ diesen Vorgang, rekonstruieren die Geschichte dieser Versuchstiere und drehen den großartigen und anrührenden Moment, als sie zum ersten Mal ins Freie gehen können, Sonnenlicht auf der Haut spüren und frische Luft. In der Geschichte dieser Schimpansen steckt auch politischer Brennstoff. Nach dem Washingtoner Artenschutzabkommen war die Einfuhr von Schimpansen als Labortiere untersagt, illegaler Tierhandel unterlief das Abkommen.
„Unter Menschen“ Von Christian Rost und Claus Strigel. D, A 2013. WDR, 27.11.2014, 23.15 – 00.45 Uhr
“Black Box BRD” gehört zu den wichtigsten politischen Dokumentarfilmen der jüngeren deutschen Filmgeschichte. Andres Veiel rekonstruiert das politische und gesellschaftliche Klima in der Machtprobe zwischen Rote Armee Fraktion und dem Staat. Er parallelisiert dazu die Biographien zweier gegensätzlicher Protagonisten. Wolfgang Grams, der fünf Jahre im Untergrund lebte und 1993 bei einem Schusswechsel mit der Polizei auf dem Bahnhof in Bad Kleinen, ums Leben kamm. Alfred Herrhausen steht in den achtziger Jahren an der Spitze der Deutschen Bank, ist etwa maßgeblich beteiligt an der Mega-Fusion von Daimler-Benz mit MBB. Er tritt aber auch für die Entschuldung der Dritten Welt ein, wird in der Bank angefeindet. 1989 fällt er einem Attentat der RAF zum Opfer.
Im Film äußern sich sowohl die Eltern von Wolfgang Grams als auch die Witwe von Alfred Herrhausen. Aus den gegensätzlichen Erinnerungen setzt sich das Bild eines polarisierten Landes zusammen. Der Film hat zahlreiche Preise gewonnen.
Andres Veiel im Interview über die Wahl seines Filmtitels: „Der Ausdruck Black Box hat für mich mehrere Bedeutungsebenen. Das ist im wörtlichen Sinn der schwarze Kasten, in den kein Licht kommt und die Geschehnisse aufhellen kann. Zum Beispiel bei Wolfgang Grams: Was ist wirklich in Bad Kleinen passiert? Wie ist er zu Tode gekommen? Wer weiß, vielleicht beichtet ja eines Tages ein GSG-9 Beamter auf dem Sterbebett. Black Box ist aber auch der schwarze Kasten im Sinn der Projektionsbox, in den wir alles hinein projizieren können, was wir kennen und glauben. Den Tod von Alfred Herrhausen könnte man zum Beispiel deuten, indem man sich vorstellt, die RAF war von Geheimdiensten unterwandert. Es gibt ja Thesen, dass Stasi oder CIA beteiligt waren. Ich mache nur Angebote mit meinem Film, und die Projektionsfläche in diesem Kasten ist groß genug für verschiedene Vorstellungen. Black Box nennt man ja auch den Flugschreiber, der aufzeichnet, was während der Katastrophe passiert ist. Der ist bis heute nicht gefunden worden. Aber die Verstrickungen der Hinterbliebenen und Zeitgenossen, die Wunden, die die Verluste gerissen haben, die sind ja nach wie vor da. Ich wollte keine historische Lektion über ein abgeschlossenes Kapitel machen. BLACK BOX BRD ist ein Film über die Gegenwart”.
„Black Box BRD“. Von Andres Veiel. D 2001. ARD alpha, 28.11.2014, 20.15-21.55 Uhr
Im Kino
„Der grüne Prinz“ war der Name, den der israelische Geheimdienst ihrem berühmtesten Spion gab: dem Sohn von Scheich Hassan Yousef, einem der Gründer der Hamas. Nadav Schirman inszeniert die Geschichte einer Freundschaft zwischen Feinden. Ab 27.11. in den Kinos. Hier die Kritik zum Film.
„Der Bauer und sein Prinz“ befasst sich tatsächlich mit einem grünen Prinzen: mit dem umweltbewussten Prince of Wales, der zusammen mit seinem Farmmanager David Wilson die Duchy Home Farm bewirtschaftet, wo auf 30 Hektar Land biologischer Landbau betrieben wird. Ich habe den Film noch nicht sehen können, kenne aber die meisten Filme von Bertram Verhaag. Er ist ein ausgewiesener Dokumentarist, immer interessiert an relevanten gesellschaftlichen Fragen, vor vielen Jahren bekannt geworden durch mehrere Filme zum Thema Wackersdorf. Inzwischen hat er neun Filme zu Thema Gentechnik und Agrotechnik gedreht.
Fünf Jahre Lang hat Bertram Verhaag für „Der Bauer und sein Prinz“ die Arbeit auf der Farm beobachtet und auch Prinz Charles interviewt, der sich in vielfältiger Weise im Umweltschutz engagiert und dafür auch nicht mehr belächelt wird. Der Film darf außerhalb von Europa und auch in England nicht gezeigt werden, angeordnet vom königlichen Press-Office, ohne Begründung. Der Regisseur über seine Erfahrungen: „Bei den Dreharbeiten waren immer Vertreter des königlichen Pressoffice anwesend, die zwar auf jedes Wort achteten, aber sonst im Hintergrund blieben. Wir führten zwei Interviews mit Prinz Charles und in beiden spricht er in einer Deutlichkeit über seine Sicht auf die Landwirtschaft, die der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt und atemberaubend ist“. Hier ein Zitat aus dem Film: „Ich versuche unaufhörlich zu zeigen, wie wichtig die kleine Familienlandwirtschaft ist – weltweit. Von ihr hängt die Ernährungssicherheit ab. Wir können unser gesamtes Vertrauen nicht in riesige industrielle Systeme legen, weil ihnen meiner Meinung nach die Balance fehlt und sie den Kern der Selbstzerstörung schon in sich tragen. Deshalb ist die Entwicklung und der Schutz kleiner Landwirtschaften entscheidend. Aber überall auf der ganzen Welt werden die Bauern von ihrem Land vertrieben – während wir hier sprechen“.
„Der Bauer und sein Prinz“ ist seit dem 20.11. 2014 in den Kinos